GAUERSHEIM. Das hätte sich Adam Antes vor 90 Jahren bestimmt nicht träumen lassen, dass aus einer einfachen, kleinen Friseurstube einmal ein renommierter, sogar über die Region hinaus bekannter Friseursalon wird. Und das nun schon in vierter Generation. Heute zähle das Geschäft bis zu 500 Kunden, wovon rund 95 Prozent Stammkunden seien. Viele ehemalige Gauersheimer kämen sogar regelmäßig. Die aus Frankfurt oder Zweibrücken hätten die weiteste Anfahrt, sagt Seniorchefin Manuela Lenhart.
Der Liebe wegen zog es den 27 Jahre alten Pfeddersheimer einst in die Nordpfalz, wo er 1931 die Gauersheimerin Elisabeth Tremel heiratete und im Haus der Schwiegereltern in der Eselsgasse, der heutigen Friedhofstraße, sein Geschäft eröffnete. Mut hatte der gelernte Friseur, denn die Zeiten waren äußerst unsicher. Doch der Kundenkreis wurde bald auf Stetten, Ilbesheim und Rittersheim ausgedehnt. Und wenn mal keine Möglichkeit bestand, nach Gauersheim zu kommen, ging er zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad in die Nachbargemeinden zu seiner Kundschaft.
Sein eigenes „Reich“ in der Eselsgasse war knapp 20 Quadratmeter groß. Warmes Wasser gab es nicht. Es wurde aus der Küche geholt, wo es auf dem Kohleherd in einem Schiffchen ständig heiß gehalten wurde. „Bei all den einfachen Verhältnissen waren wir glücklich, einen Friseur in unserem kleinen Dorf, das damals rund 600 Einwohner hatte, zu haben“, erinnert sich der 90-jährige Gerhard Schach zurück. Den schweren Zeiten in den ersten 20 Jahren zum Trotz, baute Adam Antes beharrlich sein Geschäft aus und wähnte in seinem 1932 geborenen ältesten Sohn Günter den Geschäftsnachfolger.
Über die vorgesehene Geschäftsnachfolge war der Sohn jedoch nicht glücklich. Er war froh, dass er auf einem Lehrgang seine spätere Ehefrau Maria kennenlernte. Maria Antes stieg 1953 ins Geschäft ein und übernahm es sechs Jahre später. Damit war der Weg für den Sohn frei, der sich beruflich veränderte und nur noch in der Freizeit seine Männerkundschaft bediente.
Ende der 1950er Jahre erwarb die Familie nur wenige Meter weiter ein Anwesen und richtete im hinteren Teil des Wohnhauses eine Friseurstube mit zwei Plätzen und Waschbecken ein. Die nächsten Jahre waren geprägt durch Umbaumaßnahmen für eine Geschäftserweiterung samt Umzug ins Nachbargebäude – mit bis heute 80 Quadratmetern Fläche. Die 1955 geborene Manuela ging bei ihrer Mutter in die Lehre und legte 1983 ihre Meisterprüfung ab, bevor sie zwei Jahre später das Geschäft übernahm und als Friseur Team Lenhart führte.
Um den Fortbestand des Geschäfts brauchten sich die Familien Antes/Lenhart keine Sorgen zu machen. Die 1975 und 1978 geborenen Töchter Jasmin und Tina zeigten schon früh großes Interesse. Tina musste sich aus gesundheitlichen Gründen beruflich umorientieren und arbeitet heute als Kosmetikerin im Geschäft. „Ich half schon, sobald ich laufen konnte, im Friseurgeschäft fleißig mit: Anfangs abgeschnittene Haare zusammenkehren, aufräumen, putzen und als ich größer war, durfte ich waschen. Damit verdiente ich mir Taschengeld“, erzählt Jasmin Lenhart von einem kreativen Handwerksberuf, um dessen Fortbestand sich die Friseurmeisterin große Sorgen macht. Es sei ein Fehler gewesen, dass vor 30 Jahren in der Berufsschule von diesem Beruf „als finanziell wenig attraktiv“ abgeraten wurde. Daran habe sich bis heute leider wenig geändert. Es sei schwierig, Praktikanten und Auszubildende zu finden.
Dabei habe sich vieles in den Jahrzehnten geändert, teils sogar rasant: Öffnungszeiten, neue und leichtere Arbeitsgeräte, bessere Hilfsmittel und hautschonendere Produkte, ganz abgesehen von den Epochen angepassten Frisuren und Schnitte oder anspruchsvolle Farbtechniken.
In all den Jahren hätten sich auch zahlreiche Anekdötchen angesammelt – schließlich ist ein Friseurgeschäft traditionsgemäß auch Umschlagplatz für Neuigkeiten. „Einmal musste ich die Haare sogar draußen auf der Straße schneiden. Ein fünfjähriger Junge wollte sich drinnen absolut nicht seine Haare schneiden lassen und hörte erst auf zu weinen und war glücklich, als ich seinen Wunsch erfüllte und die Haare auf der Straße schnitt“, erinnert sich Manuela Lenhart an den amüsanten Sonderwunsch. (Dezember 2021)